Ohne Zuhören kein Coaching. Aber was ist das eigentlich – „zuhören“ – und wie macht man das? Zuhören ist eine Fähigkeit. Nur, wenn ich meiner:m Klient:in zuhöre, kann ich sie/ihn verstehen, Bedürfnisse erkennen, innere Unklarheiten wahrnehmen und benennen. Auch für Führungskräfte ist Zuhören ein unfassbar wichtiges „Werkzeug“. Ich nenne es hier bewusst so, denn Zuhören ist nichts „was einige eben können“; es lässt sich durchaus üben. Hier ein paar Gedanken dazu und Tips von mir.

Innere Haltung: Aus meiner Sicht bildet eine positive innere Haltung die Grundlage für aufmerksames Zuhören. So bereite ich meine Coachinggespräche inhaltlich vor und nehme mir zudem immer auch die Zeit, mich gedanklich auf das nächste Gespräch einzustellen. Ganz wichtig ist dabei eine offene Haltung und ein Gefühl der Demut und Dankbarkeit für das Vertrauen, dass mein:e Klient:in mir immer wieder entgegenbringen. Konkret hilft mir eine Art „Mini-Meditation“ unmittelbar vor dem Gespräch, innere Ruhe und Klarheit zu finden, um mich vollständig auf das bevorstehende Gespräch einlassen zu können.

Auf das Ungesagte achten: Frei nach dem Modell des ‚Kommunikationsquadrats‘ meines Diplom-Prüfers Prof. Dr. Friedemann Schulz von Thun, achte ich auf alle Kommunikationskanäle (Sachebene. Appell, Beziehungsebene und Selbstkundgabe). Hier spielt nicht nur das Gesagte eine Rolle, sondern auch das Unerwähnte. Die simple Feststellung: „Was ich nicht höre ist…“ hat schon zu so manchem Aha-Moment geführt.

Konzentriert im Hier und Jetzt bleiben: Mein:e Klient:in steht im Mittelpunkt. Sie/er hat meine volle Aufmerksamkeit und Konzentration verdient. Über die Jahre habe ich verschiedene Techniken entwickelt, die mir helfen, auch während des Gespräches konzentriert zu bleiben, und gedanklich nicht abzuschweifen. Etwa durch das Notieren eines Stichwortes, das explizite Achten auf die Stimmfarbe meines:r Klient:in, durch die Nutzung von Metaphern und das aufrichtig-interessierte Rückfragen.

Nachbereitung: Nach einem Coaching-Gespräch nehme ich mir bewusst Zeit für eine Reflexion des Gespräches. Ich notiere mir Themen, meine Gedanken und die Gesprächsdynamik, manchmal auch Fragen oder Eindrücke. Es kommt einer Art „Verabschiedung“ von dem Gespräch gleich und ermöglicht es mir, das vergangene Gespräch abzuschließen und eine frische Perspektive einzunehmen.

Mein Vorbild: Momo! In meiner Vitrine steht das Buch „Momo“ von Michael Ende. Die Figur dieses kleinen Mädchens ist Inspiration und Vorbild für mich; immer wieder lese ich mir den Abschnitt durch, in dem Michael Ende Momo’s Fähigkeit des Zuhörens beschreibt. Hier ist er auch für dich:

„Was die kleine Momo konnte wie kein anderer, das war: zuhören. Das ist nichts Besonderes, wird jedoch nun vielleicht mancher Leser sagen, zuhören kann doch jeder. Aber das ist ein Irrtum. Wirklich zuhören können nur ganz wenige Menschen. Und so wie Momo sich aufs Zuhören verstand, war es ganz und gar einmalig. Momo konnte so zuhören, dass dummen Leuten plötzlich sehr gescheite Gedanken kamen. Nicht etwa, weil sie etwas sagte oder fragte, was den anderen auf solche Gedanken brachte, nein, sie saß nur da und hörte einfach zu, mit aller Aufmerksamkeit und Anteilnahme. Dabei schaute sie den anderen mit ihren großen, dunklen Augen an und der Betreffende fühlte, wie in ihm auf einmal Gedanken auftauchten, von denen er nie geahnt hatte, dass sie in ihm steckten. Sie konnte so zuhören, dass ratlose oder unentschlossene Leute auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten. Oder dass Schüchterne sich plötzlich frei und mutig fühlten. Oder dass Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh wurden. Und wenn jemand meinte, sein Leben sei ganz verfehlt und bedeutungslos und er selbst nur irgendeiner unter Millionen, einer, auf den es überhaupt nicht ankommt und der ebenso schnell ersetzt werden kann wie ein kaputter Topf – und er ging hin und erzählte alles das der kleinen Momo, dann wurde ihm, noch während er redete, auf geheimnisvolle Weise klar, dass er sich gründlich irrte, dass es ihn, genauso wie er war, unter allen Menschen nur ein einziges Mal gab und dass er deshalb auf seine besondere Weise für die Welt wichtig war. So konnte Momo zuhören!“